Hauptinhalt
Topinformationen
A4 Fragmentierte Arbeitswelten in der (Post-)Pandemie: Die Produktion von Ungleichheit durch Figuren migrantischer Arbeitskräfte
Das Projekt befasst sich mit der Produktion und Legitimierung von migrationsbezogenen Hierarchisierungen und Segmentierungen in der Arbeitswelt in und nach der Corona-Pandemie. Anhand von Fallstudien aus drei Feldern von Einfacharbeit – industrielle Produktion, Logistik und Gastgewerbe – wird die Rolle von Figuren migrantischer Arbeitskräfte für die Produktion von Ungleichheiten in fragmentierten Organisationen beleuchtet.
Gefragt wird erstens, welchen Einfluss zugeschriebene und naturalisierte Kompetenzen, Fertigkeiten und Mentalitäten auf Positionszuweisungen in Organisationen haben. Indem sie Arbeitende kategorisieren, tragen die national und/oder ethnisch gefärbten, zum Teil auch rassifizierenden Figuren zur Hierarchisierung und Segmentierung von Arbeit bei. Zweitens wird die Rolle der Figuren in den Sozialbeziehungen beleuchtet. Die Kategorisierungen sind nämlich nicht nur an den Positionszuweisungen beteiligt, sondern treiben in den Organisationen über die Konstitution migrantisierter Gruppen auch die soziale Fragmentierung der Belegschaften voran. Drittens wird untersucht, welche Akteure mit welchen Interessen an der (Re-)Produktion und den (Neu-)Aushandlungen dieser Figuren beteiligt sind. Neben außerbetrieblichen Akteuren, Führungskräften und Interessenvertretungen wirken auch die Arbeitenden, migrantische und nicht-migrantische, daran mit. Und viertens werden, den besonderen Untersuchungszeitraum reflektierend, mögliche Veränderungen der in den untersuchten Organisationen zirkulierenden Bilder seit Beginn der Corona-Pandemie betrachtet. Die Pandemie hat gesellschaftliche Diskussionen über den Wert von Arbeit ausgelöst und die Arbeits- und Lebensbedingungen besonders vulnerabler Gruppen ans Tageslicht befördert.
Mit der Analyse der Rollen von Figuren migrantischer Arbeitskräfte in drei Feldern von Einfacharbeit, in denen Arbeitende mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte besonders stark repräsentiert sind, leistet das Vorhaben einen Beitrag zur empirischen Fundierung der reflexiven Migrationsforschung und adressiert zugleich eine Forschungslücke in der soziologischen Arbeitsforschung. Zwar beschäftigt sich diese national und international seit Jahren intensiv mit der Fragmentierung von Organisationen und Arbeit. Analytischer Ausgangspunkt sind jedoch in der Regel Unternehmensinteressen, während die Arbeitenden überwiegend als passive Opfer des Unternehmenshandelns konstruiert werden. Indem die alltäglichen (Neu-)Aushandlungen von Figuren migrantischer Arbeitskräfte in fragmentierten Organisationen analysiert werden, nimmt das Vorhaben, ohne die strukturierenden Effekte von Machtasymmetrien und gesellschaftlichen Vulnerabilitäten außer Acht zu lassen, das Mitwirken der Arbeitenden an der Hierarchisierung und Segmentierung von Arbeit in den Blick. Zugleich ist das Vorhaben auch für die Migrationsforschung von besonderem Interesse, indem die reflexive Forschungsprogrammatik auf eine zentrale Teilhabesphäre der Gesellschaften des globalen Nordens – Erwerbsarbeit – angewendet wird und mit Einfacharbeit dort auf einen Bereich, der für die Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte zentral ist.
Methodisch basiert das Vorhaben auf einem komparativen Fallstudiendesign. Die Fallstudien nehmen Organisationen aus drei Feldern – industrielle Produktion, Gastgewerbe und Logistik – in den Blick, in denen Einfacharbeit weit verbreitet ist und Beschäftigte mit Migrationsgeschichte häufig vertreten sind. Neben Gemeinsamkeiten weisen die drei Felder jedoch auch wesentliche Unterschiede auf, die einen Vergleich der ordnungskonstitutiven Rolle von Figuren migrantischer Arbeitskräfte in fragmentierten Organisationen interessant machen. Empirische Grundlage der Fallstudien sind qualitative Interviews und Arbeitsplatzbeobachtungen.